Jahrestag des Überfalls auf die Ukraine wird in Lollar in großer Spiritualität erinnert
Der Direktor hatte per Durchsage die Schüler und Schülerinnen zu einem interreligiösen Friedensgebet in die Aula der CBES in Lollar eingeladen. Freiwillig sei das Kommen, keiner müsse sich gezwungen fühlen, betonte Schulleiter Andrej Keller.
Überwältigend und für manchen überraschend war dann der Anklang. Die Aula platzte fast aus allen Nähten, als Schülerinnen und Schüler aller Jahrgangsstufen und Schulzweigen am Vormittag zum gemeinsamen Gebet mit den Vertretern dreier großer Religionen strömten.
Traugott Stein, Pfarrer der Kirchengemeinde Kirchberg und Lehrkraft an der CBES, vertrat dabei die christlichen Religionsgemeinschaften. Dow Aviv stellte sich als Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Gießens in Lollar vor. Und Halit Aydin, Lehrer an der CBES unter anderem auch für den Islamunterricht, sprach für die muslimische Glaubensrichtung. Aviv und Aydin haben vor gut zwei Jahren in Gießen außerdem noch die jüdisch-islamische Gesellschaft aus der Taufe gehoben, um sich für die Versöhnung und Verständigung der beiden Weltreligionen einzusetzen.





War der Anlass dieses interreligiösen Gebets, welches nach 2023 zum zweiten Mal in Lollar an der CBES stattfand, vordergründig der russische Angriff auf die Ukraine vor genau drei Jahren, so wurde doch deutlich, es ging hier in der Aula um mehr. In ihren Ansprachen gingen die Religionsvertreter deshalb auf viele militärische Konflikte von Syrien über Israel, Palästina und Jemen bis in den Sudan ein. Allen war es wichtig zu betonen, jeder Mensch habe das Recht in Frieden und Freiheit nach seinem persönlichen Lebensglück zu streben. Denn alle Menschen seien vor dem Schöpfer gleich. So drehten sich die vorgetragenen Psalm, Bibel- und Koranstellen um die Fragen von Respekt, Gewaltverzicht und Vergebung. Spannend war auch, dass Aviv und Aydin ihre Gebete auf Arabisch und Hebräisch rezitierten, bevor sie diese ins Deutsche übersetzten.
Schulleiter Keller sprach die Schülerinnen und Schüler direkt an und betonte, Frieden sei mehr als das bloße Schweigen der Waffen, Frieden fange bei allen im Kleinen, in den zwischenmenschlichen Beziehungen an. Gleichzeitig ermahnte er daran, sich in den Klassen gegenseitig zu respektieren und aufeinander aufzupassen.
Stimmungsvoll umrahmt wurde die etwa halbstündige Veranstaltung durch drei wunderbar am Piano intonierten Lieder vom ehemaligen Musiklehrer der CBES Hartmut Reyl. Mit dem bluesigen Opener „Hymn to Freedom“ von Oscar Peterson, der Hymne der schwarzen US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung in den 60er Jahren, begeisterte Reyl die vielen Schülerinnen und Schüler – trotz ihrer sicherlich sehr abweichenden sonstigen Hörgewohnheiten – unglaublich schnell. Die jüdischen und muslimischen Gebete leitete der seit 2022 pensionierte Musikpädagoge dagegen mit einem Klezmerstück und einer türkischen Ballade ein.
Die Kombination aus Musik und Spiritualität war mehr als gelungen. In der Aula herrschte trotz des großen Andrangs zeitweise eine andächtige Stimmung. Oder wie eine Schülerin aus der Oberstufe betonte: „Es war schön einmal auf diese Weise zusammenzukommen. Das hat mir richtig gutgetan.“ Es scheint, dies war nicht das letzte interreligiöse Gebet an der CBES – leider, wie Reyl anmerkte, denn militärische Konflikte werden der Menschheit noch eine Zeitlang erhalten bleiben.