Panta rhei – alles fließt, sagte schon der griechische Philosoph Heraklit. Und damit meinte er wie Katharina Hagena auch das ganze Leben.
Flusslinien sind Lebenslinien, das wussten schon die alten Ägypter über den Nil und die Mesopotamier von Euphrat und Tigris – darauf verwies in seinen einleitenden Worten Andrej Keller, seines Zeichens Historiker und Direktor der CBES Lollar. Und es wissen die Anwohner der Elbe, dem Fluss, der durch Hamburg fließt und drei Generationen miteinander verbindet: die 102-jährige Großmutter Magrit, Tochter Isa, eine Meteorologin, und ihre 18-jährige Enkelin Luzie. Und Arthur, Erfinder von Sprachen in seiner Freizeit und hauptberuflich Fahrer der Seniorenresidenz von Magrit, der diese jeden Tag in den Römischen Garten in Hamburg geleitet, einen Ort, an dem Erinnerungen von Kindheit und Krieg für sie wiederkehren.
So symbolisiert Magrit in Hagenas Roman die Erinnerung, das Gedächtnis von Familie und Gesellschaft, Tochter Isa verbindet die Zeiten und Enkelin Luzie steht für das Neue und die Hoffnung, die sie in sich trägt – sie, die als Tattoo-Künstlerin sich großflächig an Margrit zu schaffen macht – trotz oder wegen ihres hohen Alters. Für Magrit ist angesichts dieses Alters die baldige große Stille schon „hörbar“. Und in ihrer Erinnerung hatte die Stille des Schweigens in der Nazizeit auch mehr Nuancen als die Sprache von heute. Für die Greisin gibt es so viele Gefühle wie es Schweigen gibt – wie z.B. das beredte Schweigen. Und nach dem Krieg ging das Schweigen weiter, nur anders – denn jetzt schwiegen die, die vorher das Sagen hatten.
Erinnerungen sind nach Ansicht der Autorin verschieden und verändern sich. Oft ist Erinnerung fiktiv und oft erscheint Fiktives als Erinnerung. Dazwischen siedelt sich das literarische Schaffen Hagenas an.
In ihrem tiefsinnigen, poetischen Roman versteht es die Literatin mit angenehm rauchiger Stimme in wohlformulierten Sätzen eine Kommunikation zwischen Sprache und Stille, aber nicht von Taubheit oder Inhaltslosigkeit zu vermitteln. Wie Arthur sucht Hagena eine neue Sprache und bietet sensibel die Botschaft der oft stillen Sprache des Geistes und des Gedankens.





